Der Antrieb

Da die Fahrten der Radler*innen in einem für Sie und uns unkontrollierbaren Umfeld und ohne direkte Studienbegleitung erhoben werden, ist die Datenverarbeitung und -aufbereitung von großer Wichtigkeit. Stellen Sie sich dazu bitte folgenden Anwendungsfall vor: Ihre Kollegin, nennen wir sie Frau Müller, nimmt am STADTRADELN teil und nutzt die App, um Daten aufzuzeichnen. Frau Müller bringt auf dem Weg auf Arbeit noch schnell ihre Tochter in die Kita und holt sich anschließend beim Bäcker um die Ecke einen Kaffee. Weil der Bäcker so nah an der Kita ist, steigt sie nicht erst aufs Rad sondern schiebt die kurze Strecke. Anschließend fährt Frau Müller ins Büro und trifft auf dem Gang direkt ihre Kollegin Frau Maier. Man begrüßt sich und tauscht direkt erste Informationen für den Arbeitstag aus. Frau Müller vergisst in der Eile anschließen die Aufzeichnung der STADTRADELN-App zu stoppen. In der Folge werden acht Stunden Bürostuhlrollen, ein Meeting und die Mittagspause mit den Kolleg*innen aufgezeichnet, bevor sich Frau Müller wieder auf den Heimweg macht. Weil auf der Strecke eine Steigung liegt, steigt Frau Müller mit dem Rad für drei Haltestellen in den Bus, um anschließend gen Heimat zu radeln.

Das beschriebene Beispiel enthält fünf Wege im Sinne der verkehrlichen Definition. Davon wird einer intermodal zurückgelegt und einer zu Fuß, zudem enthält die Aufzeichnung eine recht lange Aktivität. Für die Auswertung der Radverkehrsplaner*innen kommen jedoch nur Radwege in Betracht. Unsere Algorithmen erkennen zum Glück Wege und Verkehrsmittel vollautomatisch. Aktuell nutzen wir dafür ein heuristisches Entscheidungsbaummodell, welches von Wissenschaftlern der TU Dresden auf Basis umfangreicher empirischer Werte entwickelt wurde. Wir trennen also die Spreu vom Weizen: Die durch Frau Müller auf den Server geladene Fahrt wird zunächst in die einzelnen Wege zerlegt. Dabei werden Aktivitäten, wie die Zeit auf Arbeit, automatisch erkannt und herausgefiltert. Anschließend werden, ebenfalls automatisch, die auf den Wegen genutzten Verkehrsmittel erkannt. Aktuell erreichen wir dabei eine Genauigkeit von fast 90% korrekt erkannter Wege und Verkehrsmittel. Nebenbei können wir Halte- und Wartevorgänge identifizieren und erkennen, wo Radfahrende beschleunigen oder bremsen. Gut für Sie: Die erforderlichen Berechnungen laufen bei Bedarf nahezu in Live-Geschwindigkeit ab.

Da wir als Wissenschaftler mit dem Erreichten eigentlich nie zufrieden sind, haben unsere Informatiker um Dr. Philipp Grubitzsch für die beschriebenen Arbeitsaufgaben einen Algorithmus basierend auf Verfahren des Maschinellen Lernens entwickelt. Dieser befindet sich gerade in der finalen Erprobungsphase und wird den Prozentsatz korrekt erkannter Wege und Verkehrsmittel auf weit über 90% erhöhen, wodurch natürlich auch die Datengüte der Anwendungsfälle für Sie nochmals deutlich steigt.

Besonders stolz sind wir auf die Entwicklung im Anwendungsfall Wartezeiten. Da sich Knotenpunktgeometrien stark unterscheiden, ist die Verwendung eines einfachen räumlichen Puffers um den Kreuzungsmittelpunkt, wie er aktuell nahezu immer verwendet wird, nicht zielführend. Während große Knotenpunkte kaum den gesamten Knotenpunkt abbilden können, ist im kleinräumigen Nebenstraßennetz meist schon die nächste Einmündung betroffen. Hier schaffen wir Abhilfe, in dem wir Warteereignisse identifizieren und diese Anhand der Trajektorien vor und nach dem Warteereignis automatisiert zusammenfassen. Auf diese Weise können wir für jede Kreuzung alle befahrenen Relationen abbilden. Der Clou dabei: Sie legen den Kreuzungsbereich vorher selbst fest!

Die durch uns genutzten Verfahren und Modelle sind technisch auf dem neusten Stand und wurden in peer-reviewed Publikationen durch die internationale Fachwelt begutachtet. Gleichzeitig versuchen wir so datensparend wie möglich zu arbeiten, um Kosten und Umweltbelastungen so gering wie möglich zu halten. Denn schlussendlich wollen auch wir der Umwelt helfen.